Arbeiten und leben – 1. Medien-Bilanz zur IMK
Medienberichte zur IMK und dem Streit um Flüchtlingsrechte
Bremen, 02.-04.12.2009

Beispiel: ARD
Die ARD berichtete während der Innenministerkonferenz zehnmal im nationalen Programm über die Verhandlungen zum Thema Bleiberecht, das bei der Herbstkonferenz der Innenminister in Bremen auf der Tagesordnung stand.
Dabei stellte sie am Beispiel von drei Familien, die aus wichtigen Fluchtländern (Irak, Syrien, Afghanistan) kommen und grosse Flüchtlingsgruppen repräsentieren, mit viel Empathie die Unsicherheiten der Lebenssituation vor. Jede Situation zeigt das grosse Bemühen der Beteiligten, Kinder, Jugendliche, Eltern, ihr Leben zu planen und – soweit möglich – in die eigenen Hände zu nehmen.
Das Videobild zum Portrait über Familie Hossein, Irak/Stuttgart, steht im Tagesschau-Archiv sogar an allen Tagen der IMK in der ersten Zeile unter dem Hauptfenster, seit der Beschluß gefaßt wurde, die Übergangsregelung zu verlängern.
In diesen Portraits kommen jeweils auch Berater zu Wort, die sich alle für eine dauerhafte Bleiberechts-Regelung aussprechen.
Von der Tagesschau-Sendung am Do., 03.12., 15 Uhr, an wird mehrfach über die Aktivitäten der bundesweiten Initiative „Jugendliche ohne Grenzen“ berichtet, ohne die Organisation zu nennen: „Flüchtlinge aus ganz Deutschland“ werden mit einem Treffen, einer Übergabe- und einer Schluß-Aktion gezeigt. Noruz Duman (?), Kurdin aus der Türkei, fungiert als Sprecherin der Aktionen, und wir mehrfach zitiert. Die Filmsequenzen unterlegen ihre Aussagen nicht mit ihrem Namen.
Für die IMK sprechen die Innenminister – alle mit Vor- und Nachnamen im Bild – Mäurer (Gastgeber), Bremen, und Körting, Berlin, für die SPD sowie Herrmann, Bayern, und Schünemann, Niedersachsen, für die CDU/CSU. Dabei erhält Herrmann viermal Gelegenheit, seinen bayrischen Kerngedanken zu wiederholen – immer wieder dumm und falsch, der ihm so leicht über die Lippen geht.
Es bleibt der Eindruck: Da haben sie viel hin- und her-verhandelt, jetzt können wir aufatmen, denn schließlich können doch viele Flüchtlinge hierbleiben (wenn sie sich weiter redlich Mühe geben). Und die „Flüchtlinge aus ganz Deutschland“ haben sich beachtlich in Szene gesetzt, im Saal, mit einem Podium, mit Strassenaktionen und einen phantasievollen Benennung eines „Abschiebeministers“, die als Aktion kurz erwähnt wird (nebenbei: Man könnte sich fragen: Sind die meisten Flüchtlinge junge Leute?).
Ganz zum Schluß kommt ein kritischer Ton ins Spiel: Freitagnacht, in den Tagesthemen – um 23:45 Uhr. Die neue Regelung ist eben wieder eine Übergangslösung – selbst für die, die sie in Anspruch nehmen können.
Ganz aussen vor aber bleiben bei der gesamten Berichterstattung die Flüchtlinge, die überhaupt nicht zu den ca. 30.000 Menschen zählen, die 2007/2008 ein Bleiberecht auf Probe beantragen konnten und das auch rechtzeitig getan haben. Pro Asyl spricht von ca. 100.000 Menschen, die als Flüchtlinge ohne sicheren Aufenthalt in Deutschland leben – inzwischen wohl abzüglich der ca. 15.000 Menschen , die seit 2007/2008 ein unbefristetes Aufenthaltsrecht nach der Altfallregelung erhielten.
Alle, die nach dem Stichtag im Juli 1999 (8 Jahre vor dem 2. Juli 2007) bzw. bei Erwachsenen mit Kinder im Juli 2001 (6 Jahre vor dem 2. Juli 2007), in Deutschland ankamen, und auch mittlerweile schon knapp 8-10 Jahre geduldet hier leben, sowie alle, die zwar lange genug hier sind, aber nicht alle anderen Voraussetzungen erfüllen, insbesondere die Chance, selbst Einkommen zu erwirtschaften (Alte, Kranke etc.), diese Menschen sind in dieser Berichterstattung zur Herbst-IMK 2009 – in den begleitenden ARD-Berichten – überhaupt nicht mehr vorgekommen.
Sowohl aus menschenrechticher Sicht als auch aus humanitären Erwägungen, aber insbesondere im Interesse einer demokratischen Gesellschaft, die individuelle Rechte schätzt und schützt – unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit, steht eine andere Frage im Zentrum.
Die Frage lautet: Welchen Menschen räumt unsere Gesellschaft Schutzrechte ein und wie behandelt sie Flüchtlinge, die Schutz suchen, weil sie Schutz brauchen – unabhängig davon, ob sie vor oder nach dem Stichtag dieser Bleiberechtsregelungen gekommen sind., vor oder nach der Regelung, die die Innenminister „Bleiberecht auf Probe“ (I. und II.) nennen mögen. Diese Frage geht uns alle an. Sie darf – mitten Im Europa des 21. Jahrhunderts – auf keinen Fall der bayrischen Logik à la Herrmann überlassen werden.
Do 03.12.
14 Uhr, tagesschau
Herbstkonferenz der Innenminister
Meldung: IMK sucht Regelung für ca. 30.000 Ausländer mit Bleiberecht; Beispiel: Familie Martasadi, Hamburg, afghanischer Flüchtlinge – alleinerziehender Vater, 5 Kinder, kann die Anforderungen des Bleiberechts nicht erfüllen; Forderung von „Fluchtpunkt“ Hamburg: „mutig und richtig“ wäre eine dauerhafte Regelung: Wer 8-10 Jahre hier lebt, soll bleiben können.
15 Uhr, tagesschau
Bleiberecht für Flüchtlinge
Ein „heikles Thema“ beschäftigt die IMK: Wenn ca. 30.000 Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis bis Jahresende keinen Arbeitsplatz nachweisen können, wären sie nur noch geduldet und müssten die Abschiebung befürchten.
Flüchtlinge aus ganz Deutschland machen auf ihre Lage aufmerksam, sie tagen zeitgleich zur IMK (Konferenz der „Jugendlichen ohne Grenzen“), eine Teilnehmerin: Noruz Duman (?), Kurdin aus der Türkei
Ende 2009 endet die Altfall-Regelung – wie geht es weiter?
Ulrich Mäurer, Bremen, für SPD-Innenminister: für eine Liberalisierung der bisherigen Kriterien, die in wirtschaftlichen Krisenzeiten nicht zu erfüllen sind; Joachim Herrmann, Bayern: „Wer jetzt, obwohl er eigentlich kein Recht hat, hier zu bleiben, trotzdem hier weiter in unserem Land bleiben will, der muss mindestens selbst von seiner Hände Arbeit leben“. Die IMK tagt weiter – die Flüchtlinge küren abends den „Abschiebeminister 2009“.
Fr 04.12.
0:45 Uhr, nachtmagazin
Innenminister zu Bleiberecht
Frido Essen berichtet für Radio Bremen über die Konferenz der bundesweiten Initiative „Jugendliche ohne Grenzen“, u.a. mit Bildern vom Pressegespräch, das am Do., 03.12.09, 12 Uhr in der Stephani-Gemeinde stattfand; Zitat: Nerus Duman (?), Kurdin aus der Türkei; Teilnehmer für die Romatreffen: Djevdet Berisa; IMK: Joachim Herrmann, Bayern: „noch hart am Thema arbeiten“, Mäurer, Bremen: „Tagespensum geschafft“; Freitag vormittag ein Gespräch mit „Neruz Duman und ihren Mitstreitern“
02:55 + 04:45 Uhr, tagesschau
Innenminister zu Bleiberecht
Nachricht: Innenminister stellen am Freitag Ergebnisse ihrer Herbsttagung vor; erwartet wird eine Verlängerung des Bleiberechts auf Probe um 2 Jahre; Flüchtlinge fordern eine dauerhafte Bleiberechtsregelung
14 Uhr, tagesschau
Bleiberecht für Flüchtlinge – um 2 Jahre verlängert
IMK beschließt, das Bleiberecht für geduldete Flüchtlinge, die bis Ende 2009 ein Bleiberecht auf Probe haben, um 2 Jahre zu verlängern. Dazu Bilder zu Familie Chehu (?), Hamburg, syrische Flüchtlinge, die gerade einen Friseursalon eröffnet haben, von dem sie noch nicht leben können… zunächst dürfen sie bleiben.
Erhart Körting, Berlin, betont für die SPD-Minister, dass jetzt auch Halbtags-beschäftigte und Menschen, die einen Schul- oder Berufsausbildungsabschluß machen, leichter eine unbegrenzte Aufenthaltgenehmigung erhalten können, weil sie ihre eigenen Unterhalt erwerben wollen.
Uwe Schünemann, Niedersachsen, für die CDU-Minister, betont: „Wer sich bisher verweigert hat, sollte auch keine 2. Chance kriegen“.
ähnlich:
16 Uhr, tagesschau
Bleiberecht für Flüchtlinge : 30.000 Flüchtinge bekommen zwei Jahre verlängertes Bleiberecht
1 neues Zitat: Joachim Herrmann, Bayern, für die CSU: Man wolle „deutlich machen, dass es keine Zuwanderung in unser deutsches Sozialsystem geben darf“
ähnlich:
17 Uhr, Tagesschau
Bleiberecht für Flüchtlinge
Beschluß der Innenminister, Erklärung: Joachim Herrmann, Bayern; Beispiel: Familie Chehu (?), Syrien/Bremen; Mäurer erläutert die „Erleichterungen“;
„Am Rande der Konferenz fordern Flüchtlingsorganisationen ein unbegrenztes Bleiberecht – sofort“ (Bilder einer Übergabe-Aktion, JOG); Herrmann: bleiben darf, wer seinen Lebensunterhat selbst verdient.
20 Uhr, Tagesschau
Bleiberecht für Flüchtlinge
„Viele Flüchtlinge, die seit Jahren in Deutschland ohne dauerhafte Aufenthaltserlaubnis leben, können erst einmal zwei weitere Jahre bleiben“, die IMK hat das Bleiberecht für diejeniegen verlängert, die sich um einen Arbeitsplatz bemüht haben; Ziel: Herrmann, Bayern: keine „andauernde Zuwanderung ins Sozialsystem“; Flüchtlingsinitiativen fordern dauerhafte Regelung, Neruz Duman (?): „Bleiberecht für alle und auf Dauer – und nicht wieder zwei Jahre Duldung“; Teilerfolg für die SPD-Innenminister – Zitat Körting, Berlin (s. Nachricht von 14 Uhr).
23:15 Uhr, tagesthemen
Ausländer-Bleiberecht: Geduldete Ausländer dürfen zwei Jahre länger in Deutschland bleiben
„Geduldete Ausländer, so werden in der politischen Sprache jene genannt, denen eigentlich die Abschiebung droht und die nur eine Art Aufenthalt auf Probe haben. Diese geduldeten Ausländer dürfen zwei Jahre länger in Deutschland bleiben…“
Für viele ist mit der Regelung der IMK das Problem nicht aufgehoben, nur einmal mehr verschoben, „denn an der willkürlichen Festlegung, wer hier wielange bleiben darf, können ganze Existenzen zerbrechen…“
Beispiel: Familie Hossein, Stuttgart, irakische Flüchtlinge – zweimal, und beim zweiten Mal zu spät – nach Deutschland gekommen, erfüllt die Stichtagsregelung nicht; IMK hat neue Übergangsregelung entschieden – Flüchtlingsberater fordern dauerhafte Regelung. Die Ungewissheit geht auch nach der neuen Bleiberechtsregelung weiter.
(erstellt: 04.12.2009, aktualisiert: 05.12.09, 06.12.09)
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